Vierte „Offene Universität“ fasst vom 29. September bis zum 6. Oktober in Gelsenkirchen gesellschaftspolitisch heiße Eisen an

RÜDIGER BRAUN

POTSDAM Ist die Mafia vielleicht die vollendete Form des Kapitalismus? Schließlich halten doch auch die Manager der globalisierten Wirtschaft öfter Treffen in unauffälligen Hotels ab, verschlüsseln ihre Abmachungen und versuchen nicht selten sogar, ihre Kunden zu betrügen – genau wie die Verbrecherorganisation.

So provokant wird Wolfgang Hetzer in seinem Vortrag „Theorie und Praxis der organisierten Kriminalität in Europa“ am 30. September bei der vierten „Offenen Universität“ in Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) argumentieren. Der Jurist, der bis 2006 Abteilungsleiter im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) in Brüssel war, ist einer von 35 Wissenschaftlern, Künstlern und Publizisten, die an acht Tagen in spannenden Vorträgen und Diskussionen eine interessierte Öffentlichkeit zu kritischer Auseinandersetzung mit aktuellen Themen anregen wollen.

Unter dem Motto „Perspektiven fortschrittlicher und kritischer Wissenschaft und Kultur“ öffnete die „Offene Universität“ erstmals im September 2004 im Arbeiterbildungszentrum in Gelsenkirchen ihre Pforten. Es ist kein Zufall, dass die traditionelle Arbeiterstadt zum Sitz der „Offenen Universität“ wurde. Die Veranstaltung sieht sich in der Tradition der englischen Universitätsausdehnungsbewegung, die im 19. Jahrhundert wissenschaftliche Erkenntnisse und Bildung in allen Schichten der Gesellschaft verbreiten wollte. Sie war einst Vorbild deutscher Volkshochschulen.

„Der Unterschied zur Volkshochschule ist das Niveau“, sagt Offene-Uni-Referent Josef Lutz. Der Professor für Leistungselektronik und elektromagnetische Verträglichkeit an der Technischen Universität Chemnitz betont, dass zu den Vorträgen zum Beispiel gerne Kommunalpolitiker oder Vertreter von Umweltorganisationen kämen, weil sie eine wissenschaftliche Fundierung ihrer Vorhaben suchten. „Bei der Offenen Universität haben sie die Möglichkeit, sich intensiv mit solchen Themen auseinanderzusetzen.“

Eine wichtige Rolle spiele auch das Ansprechen in der Öffentlichkeit unterdrückter Themen. Franz Adlkofer, Geschäftsführer der Stiftung Verum für Verhalten und Umwelt, werde zum Beispiel belegen, dass die Bestrahlung von Zellen mit Hochfrequenzen vermehrt zu Brüchen in deren Erbsubstanz führe. Daraus könnten auch Schlüsse auf die Gefährlichkeit der von Mobilfunk ausgehenden Strahlung gezogen werden.

„Wir stehen nicht in Opposition zur etablierten Universität“, betont Lutz. In vielem Feldern sei man einer Meinung. Dennoch bleibe festzuhalten, dass die der Form nach freie Wissenschaft in ihren Forschungsprojekten stets abhängig von Geldgebern bleibe.

Explizit angesprochen wird dieses Problem von Wolfgang Lieb, dem ehemaligen Regierungssprecher des Landes Nordrhein-Westfalen. Er ist der Ansicht, dass die Freiheit von Forschung und Lehre immer mehr der Konkurrenz auf dem Wissenschaftsmarkt zum Opfer fällt.

Entspannung versprechen dagegen Abendveranstaltungen, die mit Konzerten und Kabarett aufwarten. Wochenkarten gibt es ab 64 Euro, Tageskarten gibt es ab 13 Euro.

© Märkische Verlags- und Druck-Gesellschaft mbH Potsdam
20.09.2007

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