PDF-Version des Programms der Offenen Akademie Stuttgart 2012 vom 13. bis 14. 10. 2012
Das Plakat zur Offenen Akademie Stuttgart 2012

Was will die Offene Akademie?

Seit dem Start der Offenen Akademie im Jahr 2004 verzeichnet sie eine
wachsende Besucherzahl. Fortschrittliche, kritische Wissenschaft und Kultur
sind unerlässlich zur Lösung der gravierenden Probleme in der Naturund
Gesellschaftsentwicklung.


Worin unterscheidet sich die Offene Akademie von anderen Einrichtungen?
Jeder kann an unseren Veranstaltungen teilnehmen. Denn wir setzen
kein Abitur oder eine andere akademische Vorbildung voraus. Wir betreiben
keine Eliteförderung, sondern Breitenbildung auf wissenschaftlichem
Niveau. Die Offene Akademie ist ein Ort, an dem sich wissenschaftliche
Fachleute und interessiertes Publikum auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Die Offene Akademie bedeutet weiter, dass mit ihr ein Forum geboten wird
für jene Themen und Wissenschaftler, deren wichtige Erkenntnisse nicht
gefördert oder gar unterdrückt werden – sei es, weil sie wirtschaftlichen
Interessen mächtiger Konzerne zuwiderlaufen oder weil sie sich gegen den
herrschenden Zeitgeist richten.

Die Offene Akademie steht für eine Wissenschaft und Forschung zum
Schutz und zur Verbesserung von Umwelt- und Lebensbedingungen im
Interesse der Bevölkerung.

Sie verwirklicht:
– weltanschauliche Offenheit,
– eine antifaschistische Grundeinstellung,
– Überparteilichkeit und finanzielle Unabhängigkeit und
– einen freundschaftlich-demokratischen Umgang miteinander.

Damit Dozenten wie Besucher gleichermaßen zu Wort kommen, wird bei
uns jede Vorlesung in 45 Minuten Vortrag und anschließende 45 Minuten
Diskussion mit dem Publikum aufgeteilt. Dieses Verfahren wurde von Dozenten
wie Besuchern gleichermaßen begrüßt und hat sich bewährt. Wir hoffen, Ihnen gefällt dieses Konzept und wir würden Sie gerne in Stuttgart
begrüßen!

Christoph Klug, Prof. Dr. Christian Hegelmaier, Prof. Dr. Josef Lutz
Sprecher des wissenschaftlichen Beirats

Programm:

Samstag, 13.10.2012

8:00 Uhr

Anreise und Einschreibung
Wer am Vorabend anreisen möchte, ist herzlich willkommen. Für ein Abendessen und einen gemütlichen Aufenthalt ist gesorgt. Das Arbeiterbildungszentrum Stuttgart bittet um rechtzeitige Anmeldung für Mahlzeiten und Übernachtung.

9:00 Uhr
Prof. Dr. Christian Hegelmaier, Hannover
„Nach uns die Sintflut…“ – Umweltkrise und Gesellschaft
Heute, im Zeitalter der sogenannten Globalisierung, ist die Zerstörung der
Natur so weit fortgeschritten wie nie zuvor. Aus ökonomischen Gründen
werden maximale Gewinne anscheinend nur noch um den Preis rücksichtsloser
Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen realisiert. Vor diesem
Hintergrund muss sich fortschrittliche Wissenschaft in der „Offenen Akademie“
mit Überlegungen zur Gesellschaftsentwicklung der Zukunft befassen,
in der die Einheit von Mensch und Natur wieder hergestellt werden
kann.
Christian Hegelmaier ist Arzt und seit Jahrzehnten mit Fragen des Umweltschutzes befasst. Anlässlich des geplanten Baus eines AKWs in Whyl war er bereits 1975 Organisator des „Kongress gegen Kernkraftwerke“ mit 300 Teilnehmern. Heute arbeitet er als Chirurg und Chefarzt eines Krankenhauses. Er ist Mitglied des Beirats und ein Sprecher der Offenen Akademie.

11:00 Uhr
Prof. Dr. Rolf Bertram, Göttingen; Stephan Moldzio, Braunschweig
18 Monate nach Fukushima
Am 11. März 2011 kam es im japanischen Fukushima zu einer der bisher
größten Atomkatastrophen. Daraufhin geriet die Atomindustrie in die Defensive;
in Japan wurden alle AKWs abgeschaltet. Inzwischen drängt sie
erneut mit alten und neuen AKWs ans Netz. Die dramatischen Folgen der
Havarie für Mensch und Natur werden bagatellisiert oder vertuscht. Radioaktiver
Fallout, Verseuchung des pazifischen Ozeans durch kontaminiertes
Kühlwasser und der atomare Abfall bedrohen die Existenzgrundlagen der
Menschheit.
Rolf Bertram, emeritierter Professor für Physikalische Chemie, setzt sich
als engagierter Experte gegen den unverantwortlichen Weiterbetrieb des
„Atommüllendlagers“ ASSE ein. Er ist Sachverständiger in der Atomphysik,
Mitbegründer der Euro-Solar-Initiative und Gründungs- sowie Beiratsmitglied
der Offenen Akademie.
Stephan Moldzio ist gelernter Industriemechaniker bei einem Automobilhersteller. Parallel zu seiner Berufstätigkeit absolvierte er am IFM-GEOMAR in Kiel ein Studium zum Diplom-Biologen. Seitdem ist er nebenberuflich als selbstständiger Meeresbiologe tätig sowie in der Umwelt- und Gewerkschaftsbewegung aktiv.

14:00 Uhr
Kai Hippler, Sebastian Muschik, Berlin
Energiewende mit Wasserstoff
Aktuell werden Zweifel an der Energiewende laut. Argumente: a) Kosten.
Kritiker übersehen jedoch die Kosten der fossil-atomaren Energieversorgung
durch Gesundheits- und Umweltschäden. Außerdem ist unsere Energieinfrastruktur unabhängig von der Energiewende in einem Zustand, der
Instandsetzungen notwendig macht; b) Probleme mit der Speicherung
und Verteilung. Eine ideale Lösung bietet Wasserstoff. Er kann via Gasnetz
transportiert und wie Erdgas in großen Mengen unterirdisch gespeichert
werden. Wasserstoff kann aus jeder Energieform hergestellt werden. Mit
Brennstoffzellen können aus Wasserstoff Strom und Wärme erzeugt werden.
Wasserstofffahrzeuge sind bereits marktreif. Die Energiewende ist notwendig
und machbar – mit Wasserstoff wird sie optimiert.
Kai Hippler (21) studiert Bauwirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule
für Wirtschaft und Recht Berlin.
Sebastian Muschik (22) studiert Regenerative Energien an der Hochschule
für Technik und Wirtschaft Berlin.
Beide haben zusammen in Aachen den Verein H2Works e.V. gegründet.

16:00 Uhr
Dr. Hermann Kruse, Kiel
Unkonventionelle Gasförderung/Fracking: Risiko für Mensch und Umwelt
In Zeiten abnehmender Ressourcen sind neue Möglichkeiten der Energiegewinnung gefragt. In jüngerer Zeit kommen dabei auch die unkonventionelle Gasförderung/Fracking zum Einsatz. Weil das Verfahren mit dem Einsatz vielfältiger Chemikalien verbunden ist, bedeutet es ein großes Risiko für die Umwelt und betroffene Arbeiter. Mit der Gasförderung werden zugleich gefährliche Schadstoffe wie Quecksilber, Benzol und das radioaktive Element Radon aus der Tiefe nach oben gefördert. Messungen haben gezeigt, dass dies Menschen und Natur in der unmittelbaren Umgebung schwer belastet. Der Vortrag befasst sich auch mit der Frage, wie der Eintrag von Schadstoffen in die natürliche Umwelt sowie die Belastungen der Menschen vermieden werden können. Betroffene Bürger aus der Umgebung sind eingeladen.
Hermann Kruse ist tätig am Institut für Toxikologie der Universität Kiel. Er beschäftigt sich mit Analytik von Schadstoffen beim Menschen und der Umwelt, bewertet diese hinsichtlich möglicher Folgeschäden und sucht nach Alternativen.

19:30 Uhr
Liedermacher Pit Bäuml, Heilbronn
Woody Guthrie: Songs von der Straße – Folkmusik-Revue
Woody Guthrie – geboren 1912, Urvater des politischen Folksongs, gebeutelt
von den Katastrophen der Zeit: der großen Depression, den Staubstürmen
und dem 2. Weltkrieg. Er war auf Amerikas Straßen unterwegs mit den
Hobos und Okies, als Gewerkschafter in Streiks – die Gitarre immer dabei.
So entstanden fast 3000 Lieder, Songs von der Straße für die Straße, Songs
in einfacher Sprache und mit klarer Sympathie für die Unterdrückten – so
wie die Lieder von Sun Heng heute, der in Guthries Fußstapfen vor chinesischen
Wanderarbeitern singt, oder von Pit Bäuml selbst, der die Straße als
seine Bühne bezeichnet. In seiner Folk-Revue holt er sie herein in den Saal:
mit Bild- und Text-Projektionen, mit schnörkellosem Liedvortrag zur Gitarre
– wie in der Fußgängerzone.

Sonntag 14.10.2012
9:00 Uhr
Dr. Rolf Gössner, Bremen
Neonazis im Dienst des Staates – Zur Verstrickung des Verfassungsschutzes
in Neonaziszenen und -Parteien

Ausgehend von der schockierenden Neonazi-Mordserie, die Ende 2011 ohne
Zutun des Staats- und Verfassungsschutzes aufgedeckt wurde, widmet sich
Rolf Gössner dem Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“, seiner braunen
Vergangenheit und politischen Ausprägung. Offensichtlich ist es bei der Aufarbeitung rund um die Taten der NSU-Zelle auch zur Beweismittelunterdrückung gekommen. Es ist erschreckend, dass ein geheimes Sicherheitsorgan in einem Fall von zehnfachem Mord Akten vernichtet – genau einen Tag, nachdem bekannt wurde, dass die Mitglieder der Terrorzelle NSU für die zehn Morde an Migranten und einer Polizistin verantwortlich sind. Der VS könne aufgelöst werden und, so Gössner, offen arbeitende Forschungs- und Dokumentationsstellen könnten etwa neonazistische Strukturen analysieren.
Rolf Gössner ist Rechtsanwalt, Richter und Publizist, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und Mitglied des Beirats der Offenen
Akademie.

11:00 Uhr
Andreas Zumach, Genf
Rüstungsexporte und die Doppelmoral des Westens
Der Tod ist wieder ein Meister aus Deutschland. Hinter den USA und Russland und vor Frankreich und Großbritannien ist die Bundesrepublik der drittgrößte Rüstungsexporteur der Erde. Ein Großteil der Waffenausfuhren der vier wichtigsten NATO-Staaten ging und geht auch weiterhin in Konfliktregionen und an diktatorische Regimes. So hat die Regierung den Verkauf von 200 Panzern an Saudi-Arabien beschlossen. Einige dieser Regime – etwa im Irak und in Libyen – wurden von NATO-Staaten militärisch angegriffen. In keinem Bereich der „Sicherheitspolitik“ sind die Doppelmoral und Verlogenheit der westlichen Demokratien größer als beim weltweiten Verkauf von Kriegsgerät.
Andreas Zumach (1954) arbeitet als freier Journalist und UNO-Korrespondent in Genf für Tageszeitungen wie die taz und den FREITAG sowie für Rundfunk- und Fernsehanstalten. Er ist Autor mehrerer Bücher über die UNO und internationale Konflikte.

14:00 Uhr
Dr. Nadja Rakowitz, Maintal
Gesundheitsreform und Folgen für die Bevölkerung
Die Debatte über das Gesundheitswesen ist seit Jahrzehnten von der These
der „Kostenexplosion“ geprägt. Zukünftig sollen der demographische Wandel
und der medizinisch-technische Fortschritt dieses System angeblich
bald unbezahlbar machen. Über die wirklichen Gründe für diese Strukturprobleme wird aber – das verhindern interessierte Kreise – selten öffentlich geredet: Es gibt in Deutschland nämlich nicht nur Unter- und Fehlversorgung (z.B. mangelndes Pflegepersonal im Krankenhaus), sondern zugleich eine massive und teure Überversorgung, an deren Fortbestand vor allem die Leistungserbringer Interesse haben. Die letzten „Reformen“ haben diese Ökonomisierung des Gesundheitswesens weiter vorangetrieben. In der Veranstaltung sollen diese Zusammenhänge erläutert und die Konsequenzen für Versicherte und Patienten diskutiert werden.
Nadja Rakowitz (1966) ist Sozialwissenschaftlerin, Geschäftsführerin des
Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte und Redakteurin von „express
Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit“.

16:00 Uhr
Dr. Peter Spork, Hamburg
Der zweite Code: Warum wir Macht über unser Erbgut haben
Warum verändern Erziehung, Ernährung, Liebe, Misshandlung, Sport oder
Erfahrungen im Mutterleib unser innerstes Wesen? Warum prägen sie die
Persönlichkeit und Krankheitsanfälligkeit eines Menschen? Warum sind wir
keine Sklaven unserer Gene? Antworten liefert die neue Wissenschaft der
Epigenetik. Sie macht die alte Diskussion, was ererbt und was anerzogen
ist, überflüssig. Denn die Umwelt beeinflusst das Erbgut und umgekehrt.
Peter Spork ist laut Deutschlandfunk „der Mann, der die Epigenetik populär
machte“. Er studierte Biologie in Marburg und Hamburg und arbeitet
seit 1991 als freiberuflicher Wissenschaftsjournalist (u.a. „Die Zeit“, „Geo“,
„bild der wissenschaft“). Er ist Autor mehrerer erfolgreicher
Sachbücher, die bislang in neun Sprachen übersetzt wurden. Sein aktuelles
Werk „Der zweite Code“ ist das erste populärwissenschaftliche Sachbuch über Epigenetik.

17:45-18:30 Uhr
Auswertung und Abschluss der Offenen Akademie

Weitere Details zu Anmeldung, Seminargebühren und Übernachtung finden Sie in der PDF-Version.


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