Die Offene Universität in Gelsenkirchen richtet sich auch an bildungsferne Schichten

Von Hilde Braun

An dieser Universität kann kein akademischer Grad erworben werden: Die Offene Universität in Gelsenkirchen bietet Vorlesungen kritischer Wissenschaft. Zum vierten Mal versammeln sich Wissenschaftler und Zuhörer, die keine Studierenden sein müssen. Die Offene Universität ist offen für jeden Interessierten, mit Abitur oder ohne.

„Mobilfunk – Technik ohne Risiko?“, oder “ Wie realistisch ist die komplette Versorgung mit regenerativen Energiequellen“? Die Themenpalette der offenen Universität ist breit gefächert. Die Wissenschaftler halten Vorträge, die oftmals an einer normalen Hochschule kaum noch gehalten werden, so die Meinung der Organisatoren. Kritische Forschung werde oft behindert oder sogar unterdrückt, weil sie wirtschaftlichen Interessen mächtiger Konzerne zuwiderlaufe oder sich gegen den herrschenden Zeitgeist richte.

Wir sollen nur noch das denken was die Wirtschaft will und nur noch das lehren was die Wirtschaft will, und nur das forschen und lehren wofür die Wirtschaft Interesse hat und womit sie einverstanden ist: Das hätte verheerende Auswirkungen.

Dr. Christoph Klug gehört zum Organisationsteam der Offenen Universität und ist als Wissenschaftler von Anfang an dabei. Er ist Diplompsychologe:

Es ist unter den bildungsferneren Schichten ein ganz großer Bildungshunger, der Wunsch nach Wissenschaften ist ja in der Bevölkerung drin. Der Wunsch die Welt zu verstehen, die Geheimnisse zu entlocken und aufzudecken, ein bestimmter kriminalistischer Spürgeist, der ist überall in den Leuten drin.

Jeder wissenschaftliche Vortrag dauert an der Offenen Universität solange wie eine Schulstunde: 45 Minuten. Fachchinesisch wird bewusst vermieden. Schließlich sollen die Vorlesungen verständlich sein. Zu jedem Vortrag gibt es im Anschluss eine Diskussionsrunde. Wolfgang Bau, 54 Jahre alt, kommt gerade deswegen hierher und ist aus Süddeutschland angereist:

Ich bin in der Materialdisposition und im Einkauf tätig, aber ich finde es einfach wichtig, dass sich auch normale Leute sozusagen da einmischen in den Dialog mit der Wissenschaft.

Das Publikum der Offenen Universität ist bunt gemischt. Die Besucher sind Lehrer, Schichtarbeiter, Einzelhandelskaufleute oder auch Studierende. Wie Lena Engelhardt. Sie studiert in Bochum normalerweise Englisch und Geschichte auf Lehramt.

Also ich bin schon das zweite Mal hier, ich war vor zwei Jahren das erste Mal hier auf der Offenen Universität und fand da halt schon die Vorträge sehr interessant und vor allem auch die Diskussionen sehr lebhaft und ich finde es echt mal eine Alternative zu dem was man sonst so an der Universität mitkriegt und hört, alternative Wissenschaft eben.

Sie ist politisch linksgerichtet, wie viele Zuhörer der Offenen Universität. Die Dozenten selbst sind parteipolitisch unabhängig. Sie kommen aus ganz Deutschland, viele von ihnen sind gleichzeitig Hochschullehrer der verschiedensten Fachrichtungen. So gibt es Mediziner, Psychologen, Geisteswissenschaftler oder Mathematiker. Die offene Universität ist auch finanziell unabhängig. Die Kosten für die Veranstaltung werden von den Eintrittsgeldern getragen. Eine Tageskarte für einen Erwachsenen kostet 22 Euro, der Preis für eine Wochenkarte 115 Euro. Für Arbeitslosengeld II Empfänger gibt es Ermäßigungen, ebenso für Auszubildende oder Schüler.

Wir haben auch in einigen Fällen schon kleine mittelständische Firmen gehabt unter anderem Solarfirmen, die gesagt haben, das was ihr da macht ist gut, ihr setzt euch ein für den Ersatz fossiler Energiequellen durch regenerative Energiequellen, das finden wir unterstützenswert, aber im wesentlichen unterstützen wir uns selbst.

2003 wurde die Offene Universität ins Leben gerufen. Im vergangenen Jahr kamen 1.000 Besucher nach Gelsenkirchen. Weil das Interesse so groß ist, wird das Programm in diesem Jahr gleich zweimal angeboten. Ende November geht die Offene Universität nach Stuttgart.

© 2007 Deutschlandradio

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Deutschlandfunk – dradio.de, 01.10.2007
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