„Querdenken erwünscht!“

Das ist die Losung, die uns derzeit als Erstes entgegenspringt, wenn wir die Homepage der Technischen Universität Hamburg googeln (https://www.tuhh.de/tuhh/startseite.html; aufgerufen am 28.10.2018). Ein Hohn angesichts des Umgangs der TUHH mit Menschen, die wirklichen Querdenkens auch nur verdächtig sind.

Der Vorgang: Am 19. Oktober beantragte Dr. Ulrich Fritsche als Vertreter des Hamburger Gesprächskreises Dialektik & Materialismus beim Kanzler der TU Hamburg die Genehmigung, ein Plakat mit der Werbung für eine Diskussionsveranstaltung mit dem renommierten Göttinger Physiker Prof. Christian Jooß zur „Selbstorganisation der Materie“ auszuhängen. Diese Genehmigung wurde, „i.A.“ des Kanzlers von dessen Sekretärin, postwendend verweigert. In der mündlichen Begründung hieß es zunächst: „wegen Terrorismusgefahr 9/11“; in der schriftlichen dann auf die Bitte um Angabe der Rechtsgrundlage der Ablehnung: „Nach Absprache mit der Öffentlichkeitsarbeit und der Stabstelle Arbeitssicherheit, ist uns aufgefallen, dass „unsereweltclub“ [die Adresse, die Dr. Fritsche für den Mailverkehr des Gesprächskreises verwendet] der Marx Engels Stiftung unterliegt und wir an der TUHH keine Politischen Vereine unterstützten.“(sic!)

So grauenhaft das Deutsch dieser „Begründungen“, so abwegig ist ihr Inhalt: Weder „unterliegt“ Ulrich Fritsche oder der Gesprächskreis der Marx-Engels-Stiftung, noch sind der Gesprächskreis oder die seit 40 Jahren existierende und als gemeinnützig anerkannte Marx-Engels-Stiftung „politische Vereine“ – statutarischer Zweck der Stiftung ist die „Erforschung des wissenschaftlichen Werks von Marx und Engels und seiner geschichtlichen Wirksamkeit“ ; beide in die Nähe von Gewalttätern zu rücken, ist eine absurdeVerleumdung. Die Botschaft, die mit dem Verbot und seinen abwegigen Begründungen erteilt werden soll, ist jedoch klar: Ob Studis oder Lehrende –meidet alles „Querdenken“, meidet jeden Gedanken, der dem Mainstream, der den Mächtigen missfällt. Es könnte euch schlecht bekommen.

Wir hatten eine gewisse Hoffnung, dass der Präsident der TUHH die eilige Entscheidung kassieren würde; eine ganze Reihe von Wissenschaftlern richteten eine entsprechende Bitte an ihn. So schrieb ihm z.B. Prof. Wolfgang Jantzen, Bremen, der die Diskussion mit Jooß moderieren soll in einem ausführlichen, persönlich  gehaltenen Brief: „Ich fände es außerordentlich bedauernswert, wenn ausgerechnet im Jahr des 200sten Geburtstages von Karl Marx, der weltweit zunehmend neue Bedeutung als Philosoph und Ökonom erfährt, Ihre Universität bei dieser Haltung bliebe. Sich geirrt zu haben, ist in keiner Weise ehrenrührig. Das tun wir alle – und nicht nur einmal in unserem Leben.“ Die Antwort kam auch in diesem Fall postwendend– per Rundmaildes Präsidenten: Allen Petenten wurde unterstellt, sie handelten in einer „konzertierten Aktion“ als „Netzwerk“; der Terrorismusverdacht wurde zwar zurückgenommen („Falls dieser Eindruck entstanden sein sollte, so bedaure ich dies ausdrücklich“), das Verbot aber, erneut unter Hinweis auf die „Verpflichtung zur politischen Neutralität“, bekräftigt. Dass durch das Plakatierungsverbot Meinungen innerhalb eines wissenschaftlichen und im Übrigen von anderen Hochschulen dieser Stadt anerkannten Diskurses unterdrückt werden: den Präsidenten scheint es nicht zu stören.

Ulrich Fritsche nimmt jetzt anwaltschaftliche Unterstützung in Anspruch. So wichtig dies ist – gegen diese grobe Verletzung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit muss nicht nur juristisch, dagegen muss auch politisch vorgegangen werden. Widerstand ist angesagt.

Wir sind, wie dieses Verbot verdeutlicht, über die Anfänge einer gefährlichen Entwicklung bereits hinausgekommen. Mehr wahrnehmbares und wirksames Handeln in organisierter, einheitlicher Form, um dem entgegenzutreten, ist heute nötiger denn je. Wo ein unzensierter wissenschaftlicher Meinungsaustausch verhindert wird, endet alle Wissenschaft.

Wir protestieren gegen diesen Versuch einer Zensur, der Einschränkung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit und fordern die ungehinderte Möglichkeit einer wissenschaftlichen Debatte, bes. an öffentlich-rechtlichen Institutionen, den Hochschulen. Der Gesprächskreis, ein von Parteien unabhängiger Kreis von Menschen, die einmal monatlich in Hamburg zur Diskussion verschiedener Theoriefragen zusammen kommen, lädt deshalb erneut und jetzt erst recht ein zur Diskussionsveranstaltung mit Prof. Christian Jooß über „Selbstorganisation der Materie. Zur Rolle der materialistischen Methode und Weltanschauungin der Herausbildung einer Entwicklungstheorie der Materie“:

Samstag, 17.11., 11-17 Uhr, HAW, Alexanderstr.1.


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