Der Energie- und Atomexperte Mycle Schneider, der 1997  zusammen mit Jinzaburo Takagi den Alternativen Nobelpreis erhielt, bestätigt unsere Einschätzung der extremen Gefahr ausgehend von den Abklingbecken der Atomruine Fukushima:

„Alle Vorrichtungen für die routinemäßige Entladung des abgebrannten Brennstoffs wurden durch Erdbeben und vor allem die Wasserstoffexplosionen zerstört. Es wurde also für Reaktor Nummer 4 ein neues Entladekonzept entwickelt, bei dem der Reaktorbehälter selbst benutzt werden soll. Fukushima 4 war ja zur Zeit des Beginns der Katastrophe nicht in Betrieb und der gesamte Kern befindet sich im Abklingbecken. Deshalb ist dort das radioaktive Inventar so groß wie in den anderen drei Reaktorabklingbecken zusammen. Auch ist das Gebäude in katastrophalem Zustand und die Entladung dort besonders dringend – und gefährlich. Das Becken ist überschüttet mit Gebäudeteilen, Staub und anderen Explosionsüberresten. Das Entladekonzept wurde nicht international diskutiert. TEPCO wurschtelt weiter. Das ist das größte Problem.“

Er weist weiter darauf hin: „Der Standort birgt eine Unzahl von verschiedenen, hochkomplexen Herausforderungen. Das Gefahrenpotential sollte man an dem radioaktiven Inventar des Standortes festmachen. Es wird geschätzt, dass etwa das Dreifache der in Tschernobyl freigesetzten Menge an Radioaktivität aus den drei zerstörten Reaktorkernen ausgewaschen wurde und sich nun in über 400.000 m³ Wasser — darunter etwa ein Viertel in den Kellergebäuden — und unkonditionierten Schlämmen und Filtern befindet. Die Lagerung, Behandlung und Entsorgung solcher Mengen kontaminierten Wassers ist eine nie dagewesene Herausforderung. Über die Abfälle spricht noch niemand, aber ich verspreche Ihnen, dass das Thema zukünftig für Kopfzerbrechen sorgen wird.“

Die starken Regenfälle der letzten Tage in Fukushima verschlimmern die Lage. Erneut ist radioaktives Wasser in die Umwelt gelangt. Das Wasser hat Schutzwälle überflutet, die Bereiche mit Hunderten Tanks umziehen. In der Bucht vor der Atomruine Fukushima ist die Belastung mit radioaktivem Cäsium stark gestiegen. Wie der Betreiber Tepco mitteilte, ergaben Proben innerhalb einer Barriere im Hafen des AKW am Mittwoch 16.10. eine um das 13-fach höhere Belastung mit Cäsium gegenüber Proben vom Vortag. Ständig wird belastetes Wasser in den Pazifik frei. In einigen Stellungnahmen wird der Eindruck erweckt, durch die Verdünnung im Pazifik sinke die Gefahr. Das ist abwegig, denn biologische Prozesse reichern einige gefährliche Radionuklide an. Es wird gefordert, internationale Experten sollten zur Hilfe gerufen werden. Was aber diese tun könnten, wird nirgends gesagt. Die verschiedenen Meldungen der letzten Tage erwecken den Eindruck von Hilflosigkeit, nicht nur bei Tepco und der japanischen Regierung.

Der weitere Betrieb von Atomkraftwerken ist verantwortungslos.


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