(alter Bergmannsspruch der „Salzwirker“)

von Rolf Bertram

Schon immer galt der Wassereinbruch in einen Salzschacht als dramatisches Ereignis für die betroffenen Bergleute. Der Weiterbetrieb zur Salzgewinnung wurde damit in der Regel beendet.

Auch in der Schachtanlage ASSE II würde  durch einen nicht mehr beherrschbaren  Wasserzufluss der Betrieb und damit die Bergung des Inventars zum Erliegen kommen. Die Folgen für Mensch und Umwelt wären erheblich. Eine großräumige Grundwasserverseuchung durch ausgepresste kontaminierte Lauge wäre unvermeidlich.

Durch Kontakt mit den mechanisch zerstörten und korrodierten Gebinden sind in diesen Laugen nicht nur Radionuklide sondern auch chemische Problemstoffe mit z.T. hoher Toxizität enthalten. In der Schachtanlage Asse sind mit dem Atommüll  große Mengen  unterschiedlicher Stoffe wie anorganische, organische und grundwassergefährdende Chemikalien eingelagert. Viele davon sind anerkannte Schadstoffe, wie z.B. einige Schwermetalle. Neben 13 t Fe-Metalle sind in den Inventarlisten über 1 Mio Kg Nichteisenmetalle  darunter ca. 400 kg  Arsen und arsenhaltige Verbindungen ( überwiegend aus eingelagerten Pflanzenschutzmitteln), 12 000 kg Blei, ca. 25 000 kg Chrom, 230 000 kg Zink, 55 kg Cadmium, 22 000 kg Nickel etc. aufgeführt. Daneben erhebliche Mengen an z.T. giftigen Chemikalien organischer Art, wie z.B. Tributylphosphat , BTEX-Aromaten, Dichlormethan und 1,1,1-Trichlorethan, Phthalsäureester und Komplexbildner wie Diammonium Hydrogen Citrat (NH4)2HC6H5O7 und viele andere Verbindungen. Gelangen diese Stoffe über Luft und Wasser in die Biokreisläufe, so ist mit Gesundheitsbeeinträchtigungen zu rechnen, die denen durch radioaktive Schadstoffe verursachten gleichkommen

Chemische und strahlenchemische Wechselwirkungen

Über Art und Menge der in den Mischabfällen enthaltenen Materialien herrscht große Unsicherheit, da nur die zum Zeitpunkt der Einlagerung erfassten Stoffe bekannt sind. Ob diese Erfassung  genau und gründlich genug vorgenommen wurde, ist nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Inventar zu bezweifeln. Sicher ist, dass die Dokumente über das chemotoxische Inventar veraltet sind und einer Revision bedürfen. Dabei sollte eine kammerspezifische Zuordnung des Inventars angestrebt werden.

Seit der Einlagerung ist das Stoffgemenge des Inventars permanent radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Unter dem Einfluss der unterschiedlichen aber simultan einwirkenden Strahlungsarten (Alpha, Beta, Gamma) und in einem offensichtlich durchfeuchteten Milieu kommt es unvermeidlich zu Stoffumwandlungen und zu stofflichen Neubildungen. Art und Intensität der Umwandlungsvorgänge sind vielfältig und wegen der gegenseitigen Beeinflussung sehr komplex. Dieser Sachverhalt darf aber nicht dazu führen.das Problem zu ignorieren. Gerade in der Vorbereitung zu den Kammeröffnungen sollte die Zeit genutzt werden, um so viele Erkenntnisse wie möglich durch Recherchen und Laborversuche zu sammeln. Die Bereitschaft dazu ist bisher nicht zu erkennen. Wegschauen und weitermachen lautet offensichtlich die Devise.

Insbesondere für die mit den Kammeröffnungen und der Bergung befassten Personen können aus den genannten Versäumnissen  ernsthafte Konsequenzen erwachsen. Es ist daher mit Nachdruck zu fordern, dass alle möglichen Reaktionsabläufe, von denen bekannt ist, dass sie zu Bränden, Explosionen und Vergiftungen führen können, in die Sicherheitsbetrachtungen einbezogen werden.

Eine Fokussierung allein auf das radioaktive Abfallinventar wird daher der Sachlage nicht gerecht.

Rolf Bertram ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Offenen Akademie.


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