In einer gemeinsamen Presseerklärung vom 29.3.11 haben die Organisationen foodwatch und das Umweltinstitut München die Erhöhung der EU-weiten Grenzwerte für radioaktive Belastung von Lebensmitteln aus Japan offengelegt:

„Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner verweist seit Tagen auf „verstärkte Kontrollmaßnahmen“ und „spezielle Schutzstandards“ – sie informiert die Öffentlichkeit jedoch nicht darüber, dass die EU-weit geltenden Grenzwerte für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln aus den betroffenen Regionen Japans am vergangenen Wochenende deutlich erhöht wurden.

War bisher eine kumulierte Radioaktivität von Cäsium-134 und Cäsium-137 von maximal 600 Becquerel/Kilogramm zulässig, traten am vergangenen Wochenende bis zu 20-fach höhere Obergrenzen von bis zu 12.500 Becquerel/Kilogramm für bestimmte Produkte aus Japan in Kraft…

Beide Organisationen sprachen sich dafür aus, einen kompletten Importstopp zu verhängen…

Für Lebensmittel und Lebensmittelimporte gelten für Cäsium-134 und Cäsium-137 üblicherweise Höchstwerte von 370 Becquerel/Kilogramm für Säuglingsnahrung und Milchprodukte sowie von 600 Becquerel/Kilogramm für andere Nahrungsmittel (EU-Verordnung 733/2008). Mit der Eilverordnung 297/2011, in Kraft getreten am 27. März 2011, hat die Europäische Kommission diese Grenzen für Produkte aus den betroffenen japanischen Regionen deutlich heraufgesetzt: auf 400 Becquerel/Kilogramm für Säuglingsnahrung, auf 1000 Becquerel/Kilogramm für Milchprodukte und auf 1250 Becquerel/Kilogramm für andere Nahrungsmittel. Bestimmte Produkte wie Fischöl oder Gewürze dürfen diesen Wert sogar um das Zehnfache übersteigen, also bis zu 12.500 Becquerel/Kilogramm belastet sein – ein 20-faches des bisherigen Limits.

Hintergrund für die Anhebung ist die nach der Tschernobyl-Katastrophe im Jahr 1987 erlassene EU-Verordnung 3954/1987. Demnach können im Falle eines „nuklearen Notstandes“ die Höchstgrenzen für die zulässige radioaktive Belastung von Lebensmitteln angehoben werden, um einer Nahrungsmittelknappheit vorzubeugen. „Diese Regelung jetzt in Kraft zu setzen, ist absurd, denn es gibt in Europa keinen nuklearen Notstand und erst recht keine Nahrungsmittelknappheit. Importe aus Japan spielen für die Versorgungssicherheit der europäischen Bürger überhaupt keine Rolle“, sagten Thilo Bode und Christina Hacker.“

Auch Greenpeace schreibt am 1.4. zu der Grenzwert-Erhöhung:

„Die EU-Kommission hat am 25. März 2011 mit einer Fukushima-Eilverordnung die Cäsium 134-Grenzwerte für Lebens- und Futtermittel aus Japan erhöht. So wurde der Grenzwert für Milcherzeugnisse von 370 Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg) auf 1000 Becquerel heraufgesetzt…

Massiv betroffen ist neben Milcherzeugnissen aus Japan importierter Fisch. Bisher galt für Fisch der allgemeine Lebensmittelgrenzwert von 600 Becquerel (Bq). Die Eilverordnung lässt jetzt einen doppelt so hohen Cäsium-Grenzwert zu: 1250 Bq pro Kilogramm…

Die Verordnung sieht nur Lebensmittelkontrollen für Cäsium-134, Cäsium-137 und Jod-131 in japanischen Produkten vor. Die Kontrollen müssen aber auf Strontium sowie Plutonium und andere Alphastrahler ausgeweitet werden. Aus den havarierten Reaktoren in Fukushima treten neben radioaktivem Cäsium und Jod auch Radionuklide wie Strontium, Plutonium und Transplutonium-Elemente aus…

Greenpeace fordert daher, alle Fische und Meeresfrüchte aus den Hauptfanggebieten des pazifischen Raumes zu berücksichtigen. Die Radionuklide werden ins Meer und über dem Meer freigesetzt. Von der Küste vor Fukushima können sie mit den Meeresströmungen auch in die Beringsee verfrachtet werden. Von dort stammt ein Großteil der in Deutschland verkauften Fische…

Theoretisch könnte also japanischer Fisch, dessen Strahlenbelastung mit Cäsium-134 und Cäsium-137 oberhalb des Grenzwertes von 600 Bq/kg, aber unterhalb von 1250 Bq/kg liegt, nach der jetzt geltenden Regelung in die EU eingeführt werden. In Japan darf dieser Fisch nicht verkauft werden, weil die Höchstgrenze dort bei 500Bq/kg Fisch liegt…

Kritische Strahlenbiologen vom Münchner Umweltinstitut sowie von der Gesellschaft für Strahlenschutz legen noch deutlich niedrigere Höchstmengen an als die Nach Tschernobyl-Verordnung bzw. der Codex Alimentarius von der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Welternährungsorganisation FAO.“


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