Wir haben von Rolf Gössner folgenden Brief erhalten:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,

nach dem überaus erfreulichen und sensationellen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3.02.2011, mit dem meine vier Jahrzehnte lange geheimdienstliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz  von Anfang an für rechtswidrig erklärt wird, habe ich von sehr, sehr vielen Menschen und Organisationen aus der ganzen Bundesrepublik ermutigende Gratulationsschreiben, Mails und Telefonate erhalten. Ich möchte mich heute für den Zuspruch und die Solidarität bei allen ganz herzlich bedanken. Das vorliegende Urteil und die erfreulichen Reaktionen darauf wirken wie eine Art Entschädigung für das über fünf Jahre dauernde aufwändige und an die Nerven gehende Verwaltungsgerichtsverfahren. Noch wissen wir nicht, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz in Berufung gehen wird; es läuft ohnehin vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf noch ein weiteres Gerichtsverfahren gegen den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen, der mich auch jahrelang beobachtete und dem nun ebenfalls die Grenzen aufgezeigt werden sollen; hier steht das Urteil noch aus.

Es ist in den Zuschriften viel von Standfestigkeit und Unbeugsamkeit, von Mut und Durchhaltevermögen die Rede und auch davon, dabei nicht bitter und zynisch geworden zu sein. All dies habe ich nicht zuletzt auch meinem unmittelbaren persönlichen Umfeld zu verdanken, das mich ermutigt und gestärkt hat. Mein besonderer Dank geht auch an meinen Freiburger Anwalt Udo Kauß für die fünfjährige kompetente Verfahrensbegleitung sowie an die Gewerkschaft ver.di, die den Rechtsschutz übernommen hat. Auch bei jenen Organisationen und Institutionen, die mich in den letzten Jahren öffentlich unterstützt haben, möchte ich mich herzlich für ihre Solidarität bedanken – an erster Stelle der Internationalen Liga für Menschenrechte, des Weiteren: Anwälte ohne Grenzen-Lawyers without Borders, Bündnis90/Die Grünen im Bundestag und im Niedersächsischen Landtag, Europäische Vereinigung für Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt, Georg-Elser-Initiative Bremen, Humanistische Union/Gustav-Heinemann-Initiative, Linksfraktion im Bundestag und in der Bremischen Bürgerschaft, Aachener Friedenspreis, Neue Richtervereinigung, Offene Akademie, Strafverteidiger-Vereinigungen, Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen, Verband Deutscher Schriftsteller und Mitglieder des Deutschen P.E.N, unter ihnen Karlheinz Deschner, Günter Grass, Dieter Hildebrandt, Horst-Eberhard Richter, Uwe Timm.

Vielleicht habe ich in dieser Auseinandersetzung so viel Zuspruch und Solidarität auch von zahlreichen Einzelpersonen erhalten, weil Viele diese unglaubliche Dauerüberwachungsgeschichte schlichtweg fassungslos gemacht hat; und weil das fünfjährige Gerichtsverfahren und insbesondere das eindeutige Urteil über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben können. Vielleicht hat die skandalöse Angelegenheit den Nerv einer ganzen Generation von (ehemals) politisch engagierten und (potentiell) betroffenen Menschen getroffen, für die ich, so mein Empfinden, quasi mit geklagt, für die ich mich in gewisser Weise stellvertretend zur Wehr gesetzt habe. Und tatsächlich wird das Urteil auch auf andere Fälle Auswirkung haben; vor allem aber muss dieser bürgerrechtliche Erfolg bald auch politische und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, damit solche Dauerskandale nie wieder vorkommen.

„Bleibe wild und gefährlich“ – mit diesen Worten versuchte ein Anwaltskollege angesichts des Urteils, mich mit feiner Ironie zu ermuntern, jetzt nicht auszuruhen und nicht in meinem bürgerrechtlichen Engagement nachzulassen.  Mal sehen, was sich machen lässt. Wie es aussieht, werde ich dem Staat auch weiterhin „gehörig auf die Nerven gehen“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ es formulierte…

In diesem Sinn und mit den besten Grüßen

Rolf Gössner


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